








Frühe Siedlungsspuren und die Bedeutung des Schwillbrocks
Vor 1800 lassen sich keine genauen Angaben zur Besiedlung Zwillbrocks machen. Der Ort wurde erstmals zu Beginn des 19. Jahrhunderts als eigene Bauerschaft erwähnt. Zuvor sprach man lediglich vom “Silvabrook” oder „Schwillbrock“, einem Eichenwald im heutigen Ortsteil Brook. Dieses Gebiet war Teil gemeinschaftlich genutzter Marken, auf denen Bauern aus der Umgebung Vieh weideten, Plaggen mähten und Torf stachen. Besonders die Schweinemast mit Eicheln war wirtschaftlich bedeutsam – davon zeugt der alte Name „Schwienebrook“ und das geschnitzte Schwein an der Kanzel der Zwillbrocker Kirche.
Grenzstreitigkeiten und Spannungen im 17. Jahrhundert
Die gemeinsame Nutzung des Grenzgebiets führte immer wieder zu Konflikten – besonders zwischen Bauern aus Ellewick (Zwillbrock) und Meddo (NL). 1638 eskalierte ein Streit um Weiderechte und Torfstiche, als Zwillbrocker Bauern über die Grenze vordrangen, Werkzeuge raubten und Meddoer Bauern tätlich angriffen. Der Vorfall führte zu Verhandlungen und Haftstrafen, die eindrucksvoll die unklare Grenzsituation jener Zeit dokumentieren.
Frühe Höfe und Einfluss des Klosters
Trotz der schwierigen Bedingungen gab es im nördlichen Zwillbrock – vor allem entlang der Ramsbeeke – bereits erste urbar gemachte Flächen, auf denen Buchweizen, Flachs und Getreide angebaut wurden. Einige einfache Höfe („Kotten“) entstanden hier wohl schon früh. Mit der Gründung des Klosters Zwillbrock im 17. Jahrhundert nahm auch die Siedlungsentwicklung Fahrt auf. Höfe wie der heutige Wissing-Hof („Mossmann“) oder das Gut Groenewold (heute Reirink) gingen auf klösterlichen Besitz zurück.
Aufbruch in die moderne Landwirtschaft im 19. Jahrhundert
Erst im 19. Jahrhundert wandelte sich das Bild der Landwirtschaft grundlegend. Mit dem Ende des Feudalwesens, der Einführung von Kunstdünger und ersten Maschinen wurde aus der traditionellen Selbstversorgung zunehmend ein wirtschaftlich orientierter Agrarbetrieb. Heide- und Moorflächen konnten urbar gemacht werden – neue Arbeitsplätze in der Landwirtschaft entstanden, und viele Menschen ließen sich in Zwillbrock nieder, vor allem aus den benachbarten Niederlanden und umliegenden Bauerschaften.
Armut, Auswanderung und Zusammenhalt
Vom Fortschritt profitierten vor allem größere Bauernhöfe. Kleinbauern und Tagelöhner hingegen litten weiter unter Armut, Missernten und geringer Nachfrage auf den Märkten. Auch das Handwerk geriet durch die Industrie unter Druck. Einige Zwillbrocker suchten ihr Glück in der Ferne – in Industriegebieten oder sogar in Amerika. Gleichzeitig wuchs der Zusammenhalt innerhalb der Bauerschaft: In Zwillbrock und im benachbarten Holterhoek war man auf gegenseitige Hilfe angewiesen, die Grenze zwischen Deutschland und den Niederlanden spielte im Alltag kaum eine Rolle.
Vom Hof zum Eigenheim – neue Entwicklungen im 20. Jahrhundert
Ein Beispiel für die schrittweise Siedlungsentwicklung ist die Familie Becking, die 1928 ein eigenes Haus baute und darin ein kleines Geschäft betrieb. Solche Entwicklungen führten zu einer allmählichen Verdichtung des Ortes, meist auf ehemals gemeinsam genutztem Markenland.
Nachbarschaftshilfe und dörfliches Leben
Bis heute ist der nachbarschaftliche Zusammenhalt spürbar. „Leh’n, datt naobert!“ – ein plattdeutscher Spruch, der sinngemäß „Leih’s dir vom Nachbarn!“ bedeutet – prägt noch immer das Miteinander. Ob Fahrdienste, das Ausleihen von Werkzeug oder die spontane Hilfe im Alltag: Die Dorfgemeinschaft lebt vom gegenseitigen Vertrauen.
Die ersten Meldeeinträge – ein Blick auf die Bevölkerung
Die amtliche Erfassung der Bevölkerung begann 1811 unter französischer Verwaltung. Als Stichtag für die historische Auswertung wurde das Jahr 1828 gewählt – das Gründungsjahr des Zwillbrocker Schützenvereins. In den frühen Meldelisten wurden viele Höfe noch unter „Ellewick“ geführt, was die späte Abgrenzung von Zwillbrock als eigenständiger Bauerschaft zeigt. Nur vereinzelt taucht bereits der Name „Zwillbrock“ auf – ein Zeichen für das wachsende Selbstverständnis der Bewohner.
Grenzüberschreitendes Miteinander
Nicht alle in Zwillbrock wohnenden Menschen waren damals in den Meldeunterlagen erfasst – vor allem die Bewohner des Holterhoek fehlen. Dennoch waren sie fester Bestandteil des Zwillbrocker Lebens: Sie gingen hier zur Kirche, schickten ihre Kinder in die Schule und nahmen am Dorfleben teil. Die enge Verbindung über die Grenze hinweg war von Anfang an prägend – und ist es bis heute geblieben.
Quelle: Sandra Lentfort
Quelle Bilder: Archiv LWL