Sprache in der Grenzregion

Der Achterhoek als Grenzland

Das Sandgebiet östlich der alten IJssel zeigt viele Ähnlichkeiten mit dem angrenzenden deutschen Land. Die abwechslungsreiche Landschaft mit Wald, Heide und Moor, Bruchland und hochgelegenen Ackerflächen, die verstreute Lage der Bauernhöfe des gleichen sächsischen Typs findet man im gesamten Stromgebiet der Berkel und Slinge. In der Heimatliteratur auf beiden Seiten der Grenze wird man von der großen Übereinstimmung nicht nur in der Sprache, sondern auch im Charakter, Humor und Gefühl zwischen dem Achterhoeker und dem Münsterländer getroffen. Es ist offensichtlich, dass dieses Gebiet in früherer Zeit von einem ähnlichen Menschenschlag bewohnt war, aber die heutige Grenze hat in den letzten Jahrhunderten ihren Einfluss stark geltend gemacht. Besonders in jüngster Zeit, da nun auf beiden Seiten die Amtssprache in Schule, Kirche und Radio mit zunehmendem Erfolg gegen den Dialekt kämpft und auch sonst die Volkskultur stark beeinflusst, besteht die Gefahr, dass eine mehr oder weniger willkürlich gezogene Reichsgrenze eine solche Trennung zwischen beiden Gebieten schafft, dass die Bewohner sich künftig nicht mehr verstehen werden, obwohl sie ursprünglich verwandt sind. Auch die Zuwanderung neuer Bevölkerungselemente – hier aus dem übrigen Niederlande, dort aus dem weiteren Deutschland – führt dazu, dass die Unterschiede immer größer werden.

Von den Werken, die bei einem vergleichenden Studium des Dialekts interessantes Material liefern, möchte ich nennen: Heinrich Büld, Volk und Sprache im nördlichen Westfalen (Münster 1939). Hierin findet sich eine Liste mit Wörtern, Ausdrücken und Redewendungen aus 142 verschiedenen Orten des Münsterlandes, eine reiche Quelle für Vergleiche, vor allem mit dem Oost-Gelderland. Ferner: F. Herdemann, Versuch einer Lautlehre der westmünsterländischen Mundart (ungedruckte Dissertation, Münster 1921). Diese bearbeitete 80 Sprachkarten vom deutschen Grenzgebiet und betonte die enge Verwandtschaft mit dem Achterhoeks-Twenteland. Dann gibt es noch die Zeitschrift Westmünsterland, Monatszeitschrift für Heimatpflege (Bocholt, seit 1914). Viel Lesenswertes findet man außerdem im heimatkundlichen Bereich, in den Sammelwerken Gronau und Epe (Gronau 1939) und Kreis Ahaus (Gelsenkirchen 1938).

Aus dieser Lektüre wird deutlich, wie eng die autochthone Bevölkerung in Sprache und Lebensweise beieinander steht. Die Beeinflussung war im Laufe der Geschichte gegenseitig; bereits in fränkischer Zeit lässt sich das nachweisen. Es ist wahrscheinlich, dass Edelgeschlechter aus der Umgebung Karls des Großen sich zur Zeit der Unterwerfung der Sachsen in diesem Land niederließen. Die Herren von Loon und von Solms gehörten zu den ältesten Landadelsfamilien, ebenso wie königliche und kaiserliche Familien. Zu den wenigen, heute noch existierenden Adelsfamilien in Westfalen gehört das Haus Lippe, von dem Prinz Bernhard stammt. Das Haus Keppel aus Laag Keppel am Rand des fränkischen Liemers-Gebiets findet man seit dem Mittelalter als Landherren in den deutschen Orten Oeding, Stadtlohn, Keppelhorst bei Heek, Nienborg und Epe. Es ist vielleicht kein Zufall, dass Ortsnamen wie Epe und Ohne (Oen) östlich von Enschede ebenso im fränkischen Gebiet westlich der IJssel vorkommen; vielleicht weist das auf eine erzwungene Aus- und Einwanderung aus dem fränkischen Gebiet hin…

Auch später gehört ein Teil des Gelderländer Achterhoeks zum Bistum Münster, und der Einfluss, der nicht nur kirchlicher, sondern auch weltlicher Art war, dürfte deutlich spürbar gewesen sein. Während der Reformation flohen viele vor Alva nach Osten und blieben dort wohnen. Als jedoch die Bischöfe von Münster gegen die Reformation vorgingen, suchten sie erneut ihre alten Wohnorte auf. Das calvinistische Holland verbot dann den katholischen Gottesdienst, sodass die katholischen Bewohner der Grenzorte in Deutschland zur Kirche gingen. So wurden z. B. in der Schlosskapelle der Burg Oeding und in Zwillbrock bei Vreden für holländische Katholiken Gottesdienste gehalten. Es dauerte noch bis 1672, bis die heutige Grenze mit Deutschland zustande kam und die Orte Bredevoort, Lichtenvoorde und Groenlo Teil der Republik wurden; es dauerte bis 1795, bevor auch auf dieser Seite der Grenze die katholische Ausübung des Gottesdienstes erlaubt wurde.

Beispiele für Dialektwörter:

• kidde – Heuschicht

• kiezenman – Kalb

• krange – verkehrt, von innen nach außen

• meedels – lange Grashalme

• rop – nicht dicht (z. B. von einem Fass)

• meuje – Tante

• mieterig – unwohl

• ploddekeerl – Lumpenhändler

• weede – Gürtel

• zonder fael – ohne Fehler

• poggen – Schweine

• pielen – Enten

• ulk – Iltis

• tunekster – Bachstelze

• plogdriewerken – Bachstelze

• heed – Heide

• kateker – Eichhörnchen

• schiethoeppe – Hopfenvogel

• tukkert – Gimpel

• schiet in ’t vuur – Meise

• mijampe – Ameise

Dies ist nur eine willkürliche, „öpse“ Auswahl, aber genug, um die enge Verwandtschaft zu zeigen. Wie weit man hier auch von alter Verwandtschaft sprechen kann, ist schwer zu sagen. Es hat ja seit Jahrhunderten einen Austausch zwischen den Menschen hüben und drüben gegeben – Austausch von Waren und Arbeitskräften, also auch von Sprache. Die Gelderländer Arbeiter gingen im Sommer Gras mähen in Deutschland, und entlang der Berkel gab es jahrhundertelang regen Schiffsverkehr nach Zutphen. Die Deutschen brachten Holz, Eisen, Ton, Sand, Eichenschalen und Kalk an die IJssel und nahmen Kolonialwaren, Leinensamen, Baumwolle und Tabakblätter für die Gerberei in Oldenkott mit zurück.

Eine schöne Redewendung, die wohl aus dieser Zeit stammt, ist die folgende. Wenn ein Achterhoeker Junge neugierig fragt, wohin jemand geht, kann die Antwort lauten:

„Naar Opstrop hen pispötte bakken, i’j meugt wel met d’r aorne an smakken.“

(Nach Opstrop Pissnäpfe brennen – du darfst sie gerne mit der Ohrfeige probieren!)

Ochtrup östlich von Enschede war früher bekannt für seine Töpfereien, deren Nachttöpfe mit sieben Ohren eine gewisse Berühmtheit genossen. Es ist jedoch etwa 150 Jahre her, dass der letzte „pöttekeerl“ mit seinen kleinen Töpfen und Pfännchen übers Achterhoeker Land zog, um seine Waren zu verkaufen.

Ein draodnègel (Drahtnagel) ist jemand, mit dem man nicht gut vorankommt, der gegen den Strich geht – die Bedeutung lehnt sich an den Spruch an, den ich bei Winterswijk hörte: „Ich schicke den Jungen zum Schmied, um ein Paket Drahtnägel zu holen – und er kommt mit Bauern aus Rhaotum wieder.“ Dasselbe sagen Bauern aus Ammeln bei Ahaus: do mi es en Ammelsken, sagt dort ein Zimmermann zu seinem Lehrling, wenn dieser einen großen Nagel braucht!

Im Münsterland fand ich das folgende Kinderreimchen:

Dao en Dahler, gao nao ’t Markt,

kaup en Koh, en klein Kelfsken kregste to,

Kile, kile, kile.

In der Umgebung von Varsseveld hörte ich diese Variante:

He’j een daalder, gaot naor de markt,

Koop een koe, kiezenman toe

Buultjen met zand,

Kiele, kiele in kindjes hand.

Bei jedem Vers bekommt das Kind einen Klaps in die flache Hand.

In Epe ist dieses Kinderreimchen bekannt:

Anton, Anton, parrewarrewat,

Sat veut ’t vuur en schlâö̯p,

Door kreg e wat met de Panne veur ’t Gat

Soos zeän, wat Anton lâö̯p.

Dasselbe hörte ich in Varsseveld:

Gerrit, Gerrit, parrewarrewat,

Zat bij ’t vuur en sliep,

Moeder sloeg em met de panne veur ’t gat

Dat e de deur uut liep.

In der Dialektliteratur beiderseits der Grenze finden wir regelmäßig Wörter, die in einem bestimmten Gebiet auf eine bestimmte Weise ausgesprochen werden. In der Dissertation von J. Broekhuysen: Studies over het dialect van Zelhem in de Graafschap Zutfen, in der von F. Herdemann und im Werk von H. Büld findet man sehr viel Vergleichsmaterial. Es ist schade, dass diese Autoren ihre Arbeit an der Grenze beenden, wo es doch interessant wäre, dieses Gebiet als eine Einheit zu sehen.

Auf der beiliegenden Karte habe ich versucht, zumindest für einige typische Fälle, diesen Zusammenhang darzustellen. Um mich zu beschränken, habe ich die Wörter lepel, fles, vogel als Beispiele genommen.

In einem Teil des Achterhoek wird lepel als leppel ausgesprochen. In den Liemers und im östlichen Teil hört man lepel, ebenso über der Grenze um Stadtlohn, Bocholt und Rheede. Weiter östlich, bis zur Grenze mit dem sog. „Kleiplatt“, sagt man wieder leppel. Um Winterswijk sagt man flaske für fles, taske für zak. Dieses Gebiet setzt sich in Deutschland bis nach Südlohn und Borken fort und ist recht scharf begrenzt. Im umliegenden Land sagt man flesse und tesse. Auch der -o-Klang, der in vogel allgemein lang ausgesprochen wird, klingt im äußersten Osten Gelderlands, um Vreden, Ahaus und Coesfeld wie ein kurzes o: voggel.

Wer sich näher mit der Sprache und dem Volksleben in diesem Gebiet befassen will, dem sei auf die oben genannten Schriften verwiesen, in denen eine Fülle von Daten für weitere vergleichende Untersuchungen gesammelt ist.

Coevorden – B. G. J. Zweerink

Übersetzung: Sandra Lentfort

Unser Dorf hat Zukunft